Regal

Gestern vorm Aufwachen wünschte ich mir, wie ein Buch zu leben.

Wo man einfach dumme, unnötige Wochen Monate Jahre überschlägt, wo die Dialoge sitzen und auf vier fünf Seiten das Wichtigste auf den Punkt ausgesprochen wird.

Wo nicht diese anderen Tage erzählt werden, die man leben muss. Die ohne Wörter und Gespräche.

Ich dachte sogar kurz, ich wünschte, ich wüsste das Ende und könnte mich zuklappen und ins Regal stellen.

Von Jetzt und Freaks. Und vom Netz.

Bei der letzten Lesung wurde ich gefragt, was denn „Jetzt“ wäre.
Wenn in meinem Buch  „Von Tod und Wut. Und von Mut.“ die Rede ist, welches Wort als nächstes käme, würde ich die Geschichte weiterschreiben.

Ich fand die Frage gut und wusste keine Antwort.
Naja doch. 
Aber nicht wirklich.

Die nächsten Kapitel sind, vielleicht zum Glück, nicht besonders aufregend und daher kein Buch wert, das Leben geht so weiter und kein Wort wäre irgendwie passend, sagte ich, glaube ich.
Würde ich mir mal Gedanken dazu machen.

Und nun sitze ich hier, denkend, habe aber immer noch keine richtige Antwort gefunden.

Vielleicht ist die Frage falsch. Denn die Geschichte im Buch endet richtig.
Mit Mut und dem Punkt.
Trotzdem: Wie lebt es sich weiter? In echt?
Was geschah dann, wo bin ich jetzt und wie fühlt es sich an?
Sicher hat mich der Tod meines Kindes verändert.
Genauso sicher hätte mich jede Variante von Leben verändert.

Ich fühle mich oft nicht gut, aber bestimmt würde ich mich auch oft nicht gut fühlen, wäre all das nicht passiert.
Ich fühle mich auch oft gut, obwohl passierte was passierte.
Ehrlich gesagt frage ich mich sehr selten, wie sich „meine Trauer“ anfühlt,
weil sie nichts ist, was neben meinem Leben stattfindet.
Sie ist da drin.

Natürlich hat sie mich verändert, zum Guten wie zum Schlechten.

Aber hey- 
Wieviele Leute haben sich in der letzten Zeit zu Freaks entwickelt, ohne dass deren Kind starb?
Ich finde, da gehe ich fast noch.
Mal ganz subjektiv gesehen.

Die Trauer hat mich jedenfalls absolut nicht zu einem besseren Mitmenschen gemacht, nur weil ich tröstende Bücher mit lichten Dingen geschrieben und gezeichnet habe.
Sie hat mich immerhin nicht zerstört oder bitter gemacht.

Aber wer weiß.

Letztens sagte eine Person, mein Trauma wäre nicht ihr Problem.

Eines meiner recht neuen Probleme, die ich auf Trauer-nicht Trauma- zurückführen würde, sind Menschen,
deren Problem es ist, dass ich nicht ihres sein soll, ohne dass ich sie darum gebeten hätte.

Durch mein Netz fällt jetzt einfach viel viel mehr durch.
Es ist stark, hat aber große Löcher.


mittwoch

selbstdarstellendes Portrait meines momentanen Ich-Zustands. Mit Flecken.

Ich mache kein Instagram mehr
(bis auf kleine Ausnahmen und häppchenweisen Konsum während meiner Mittagspause)
und hier ist es auch still. (aber das ist ja nix Neues)
Mir ist es zu viel, selbst diesen Text hier zu schreiben, finde ich voll mittwoch.
(bin btw jugendsprachlich uptodate, wie ihr seht)

Und trotzdem will ich es gern erklären, vielleicht um es mir selbst zu erklären.

Diese Parallelwelt namens Internetz ist mir zu laut geworden, zu voll, zu bescheuert.
Klar gibt es noch die guten und netten, die vernünftigen, schlauen und schönen Stellen.
Aber um die aufzusuchen, muss man an so mega-viel Müll vorbei.
Und wenn ich mich dann rechts und links umgucke auf dem Weg, verirre ich mich.
Mache mir beim Frühstück bereiten Gedanken über die Zähne des Pferdes von xy,
den mentalen Zustand von abz und das neue Buchprojekt von zyx. Ist ycb jetzt eigentlich noch mit fck zusammen?
Vergesse darüber, was ICH eigentlich machen wollte. (nur Kaffee)

Ist ein bisschen schade, weil sowohl mein Blog, als auch mein Instagram eigentlich so tagebuchmäßig angelegt war.
Und ich jetzt leider vergesse, was ich vorletzten Monat gemacht habe, weil es weder Fotos noch Zeichnungen davon gibt.
Andererseits habe ich das Gefühl, mit meinem Kram dann NOCH mehr unnützes Zeug ins virtuelle All zu müllen.
Gehe mir selbst (justamente in diesem Augenblick!) damit auf die Nerven.

Tja. Zwickmühle.

Und daher ist es mein bester Weg, erstmal komplett (bis auf s.o) auf Null zu gehen.
Ich kann es nur empfehlen.
Die Denke springt dann nämlich wieder an. Soweit noch vorhanden.

Melde mich allerdings bald mit Promozeug wegen neuen Buchprojekten.
Bis dann!
Sollen wir auch mal die Welt retten? In echt? Nur wie?

Glücklich-Platz


Die Wiese, wo die Pferde stehen ist mein Glücklich-Platz.
Happyplace sagt man ja.

Der Ort, an den man sich denkt, wenn not ist.
An dem man alle Not nicht mehr denkt.
Hier ist es so leicht gar nichts zu denken.

Ja, manchmal gibt es Sorgen um die Pferde, manchmal doofe Dinge wie zugefrorene Pfützen,
ein schimmeliger Heuballen oder ein dickes Ponybein.
Aber nichts, was unnötig ist, wird gedacht.

Die Menschen, die sich hier einfinden, möchten Zeit mit und bei ihren Pferden verbringen.
Ich habe und kenne keinen Ort, wo Zusammensein so unkompliziert ist.
Vielleicht ist es das Besondere an unserer Wiese, dass wir dort unkompliziert sind.
Uns alle respektieren, schätzen und lassen, wie wir sind.
Niemand muss hier was.
Unsere Leben bleiben zuhause, wir sind nur „am Stall“.
Mit den Pferden, sonst nichts.

Wie dankbar ich bin, für diesen Zustand, der uns allen so viel Raum gibt.
Für die Frauen, die mir in dieser Weise ähnlich sind.
Ganz anders sind, und doch gleich, an dem Platz.

Die Wiese ist der Ort, an dem ich vergesse, was sonst so ist.

Nun haben drumherum gerade Neid, Verletzung, Egoismus und Zorn Einzug gehalten,
Pferdefrauenrealitäten sind zugezogen, Grenzen sind entstanden, wo vorher Luft war.
Mein Gut-Ort ist nicht mehr leicht zu erreichen.
Er ist es nicht mehr.

Was, wenn ich ihn jetzt verliere, weil ich dort zu viel Blödes fühle?
Wie schaffe ich es, wieder nichts zu fühlen?
Wie wieder die Leere dort zu haben, die ich so brauche?

Ich schlafe ein mit den Gedanken darum und ich wache auf mit ihnen.

Und dann ärgere mich über mein Luxusproblem.
Meine Güte- Es ist nur eine Wiese.
Ist es?

Buddelkiste

Als ich mein Instagram vom Handy entfernt habe, für eine Pause, habe ich nach etwas gesucht, einem Bild oder Beispiel, dass ein guter Vergleich sein könnte um mir zu erklären, warum diese Pause jetzt echt mal sein muss.

(Ich musste dafür einigermaßen weit in die Vergangenheit reisen)

Ich sitze in der Buddelkiste und mache Sandkuchen. Richtig schöne, sie gefallen mir sehr und sehen schön aus, ich verziere sie mit Gänseblümchen und Zierapfelscheibchen, die ich mit einem scharfen Stein schneide. Sie sehen aus wie echte kleine Kuchen und ich spiele, dies wäre mein Laden.

Andere Kinder spielen mit, wir bauen und backen zusammen, eine Idee jagt die nächste, wir bewundern gegenseitig unsere Kuchen und Klöße und Ladentheken, wir lachen und haben tausend Ideen und Spaß.

Irgendwann ist die Buddelkiste voll.

Ich sitze mittendrin und gucke und staune und sehe Megasandburgen, Tunnel, Löcher, Bauwerke, Murmelbahnstraßen und Kuchen in Formen und Farben, wie ich sie NIE selber hätte machen können. Welten entstehen da. Ganz tolle.
Auch sehr viel Mist, doch selbst der ist faszinierend.
Alle diskutieren und streiten und verbünden und entzweien sich.
Es wird geschrien, geheult, gejohlt.
Mein Mund steht offen, ich vergesse zu blinzeln und die Zeit und glotze und starre und mache sonst nix mehr.
Den ganzen Tag erstmal nicht.

Und dann jeden Tag, ich gehe trotzdem hin, denn vieles ist im Entstehen, geht weiter, wie eine Serie, ich kann kaum hinsehen, aber auch nicht weg.
Ich habe meinen festen Platz da, mache ab und zu einen meiner Kuchen und dann rufen viele:
OOOh! Wie herzig! Du bist sooo super!
Das ist schön und dann lasse ich mich in den Sand sinken und.
Meine Güte, bin ich müde. Erstmal gucken. Gucken, gucken.

So ungefähr fühlt sich das an.

Ich vermisse die Buddelkiste zwar irgendwie, irgendwie aber auch nicht.
Die Stille ist schön.
Zwar bewundert keiner mehr jeden Tag meine Sandkuchen, aber egal: Haha, ich habe ja noch meinen eigenen kleine Spielplatz hier, ich Schlaumeierin. Chacka.

(weil mein Scanner im Büro ist, musste ich die Sandkuchen aufm Ipad zeichnen.)

14. November

 

Letztens dachte ich mal drüber nach, wie oft wir gesagt kriegen,
das wir echt stark sind.
„Du bist so stark.“
Ich höre das nicht ungern, nein!
Stark ist ein super Wort und ich finde mich selbst oft richtig stark.
(Dann, wenn ich mich von außen betrachte, mit Erstaunen)
Aber auch letztens, da dachte ich:
„Hart“ trifft es manchmal eher.
Sieht stark aus, ist aber nicht unzerbrechlich,
undurchdringlich und was innen ist, kann niemand wissen.
Meist Hohlnis, hehe.

 

 

7. Juli

Fantasie

Ich weiß gar nicht mehr, wann mir Tinee von siebenmorgen diesen Druck geschenkt hat.
(Es gibt ihn in limitierter Auflage in ihrem Shop zu kaufen!) 
Schon lange her.

Aber nachdem ich ihn erst vor allem einfach schön fand, wurde er irgendwann einer meiner Leitsätze für das Buch.
Und eine Lebenseinstellung. Oder umgedreht.

Danke, liebe Tinee!
Natürlich kommt er vor, auf Seite…..198-199.
Er hängt direkt neben Gretas gelbem Himmel.

 

 

 

 

30. Mai

disussion

Gestern bin ich tatsächlich in eine Minidebatte in der Kommentarfunktion bei Facebook geraten, die ich nicht geneigt war, weiterzuführen. Zu anstrengend.
Da mir aber Überheblichkeit und fehlende Argumente vorgeworfen wurden, musste ich nun doch noch vorm Frühstück meine Antwort aus dem Kopf aufzuschreiben.
Hier traue ich mich, sie zu veröffentlichen, drüben sind mir die Reaktionen zu übergriffig, bin ich ganz ehrlich.
Natürlich! Dürft ihr in den Kommentaren darüber offen und respektvoll eure Meinung schreiben, keine Scheu!
Also:

…..
Ich werde immer alles aus der Perspektive des Kranken und seiner Angehörigen sehen.
Ich werde immer dafür sein, jede Möglichkeit, Leben zu retten, wahrzunehmen,
wenn es eine gibt.
Ich werde immer denken, ein Mensch, egal wie alt, egal wie vorerkrankt, egal ob er sowieso irgendwann sterben muss, ist wichtiger als alles sonst.
Ich werde immer alles in Kauf nehmen, um andere vor Krankheit zu schützen.
Auch wenn es mich selbst zeitweilig einschränkt.
Persönliche Freiheit ist jedem Einzelnen gegeben.
Immer, in ganz individueller Form.
Er kann sie aber bitte unterzuordnen, wenn Schwächere bedroht sind.
Das ist für die einen leicht, für andere superschwer.
Natürlich. Wie alles.
Das Brüllen nach Freiheit, die Angst unterdrückt zu werden, der Egoismus von Leuten, die glauben, sie sind im Recht, nur weil sie angeblich weiter denken als andere, geht mir deshalb wahnsinnig auf die Nerven, weil die vor allem eins sind: IchIchIch.

Ich habe so ein Ding mit Ärzten. Eins mit dem Gesundheitssystem, mit Wissenschaftlern und auch mit dem Tod.
Mein „Trigger“, wenn man so will  ist folgendes Zitat, das uns mal von einem Staatsanwalt geschickt wurde:

„Angesichts dieser Sterblichkeitsraten kann nicht davon ausgegangen
werden, dass das Leben von Nils hätte gerettet werden können.“

Und das ist nachweislich nicht wahr gewesen.
Und deshalb werde ich immer davon ausgehen, dass Leben gerettet werden kann.
Weil es immer um einzelne Menschen geht. Nicht um Raten oder Zahlen.
Nicht ums Recht-Haben.
Und nicht um Dichdichdich.

Und ja: Meinemeinemeine Meinung.
Aber immer flexibel.
 

 

 

 

 

21. April

Kohortenjumpsuit

Natürlich bin ich solidarisch mit all den #coronaeltern.
Selbstverständlich sollen sie alle laut schimpfen, um politisch was zu bewegen.

Sorry für die Fresse gestern.
Ich habe leider im Moment außerordentlich schlechte Laune, die ich eigentlich nicht mehr so sehr gern hier verteile. (außer sie fällt auf den Zwölften)
Gemeckert wird sowieso viel zu viel zu viel.

Seid froh drüber.

Ob die schlechte Laune mit den Zeiten wie diesen zusammenhängt,
glaube ich übrigens nicht.
Kann auch sein, dass es normale Frühlingsbefindlichkeit ist.
Der sechswöchige Sonnenschein, der langsam nervt.
Ausserdem kriege ich Werbung für Gesichtsyoga zur Verringerung von Doppelkinnen auf mein Handy.

Da dachte ich, ich zeichne das Problem mit meinem oberbequemen, superangesagt und echt très chic aussehenden Overall, den ich sehr liebe und gestern nach Wochen wiedergefunden habe. Er hatte sich im Schrank versteckt.

Bleibt tapfer.