Sommertag.

Im Sommer, wenn Männer ohne Hemd und Hemmungen
Rasen mähen, Fahrrad fahren und oder andere Menschen
ungefragt anlabern, denke ich manchmal:
Eines Tages.
Eines Tages mache ich das auch.
Blankziehen.
Für eine echte Revanche sehe ich aber leider immer noch zu gut aus,
muss ein paar weitere Sommer abwarten. Vielleicht zwanzig.
Bis es richtig schockt.

9. Juni

10 Fakten über mich
(Das war oder ist mal so ein Ding gewesen, bei Instagram- Ich habe daraufhin so eine kleine Liste aufm Handy angelegt-erst hat es Mo na te gedauert, bis mir überhaupt wenigstens drei Sachen einfielen, aber vor ein paar Tagen ging es fix- Prokrastinationsmodus sei dank.
Treue Leser kennen natürlich schon das ein oder andere. Mir selber war aber sogar einiges neu…)

1


Knoblauch mag ich nicht.
Auch wenn er gesund ist.
Und gut riecht.
Es gesellschaftlich schwierig ist, dazu zu stehen:
Mag. Ihn. Einfach. Nicht.

2


Alles mit Pistazie: Ja! Ja! Ja!

3


Ich parke ohne mit der Wimper zu zucken auf Mutter-Kind-Parkplätzen.
Dieses Privileg steht mir zu, sage ich mir dann.
Eben mit totem Kind, denn das ist ja immer dabei.

4


Als Kind hatte  ich eine Zeit lang einmal in der Woche Zahnarzt, so wie andere Kinder Flötenunterricht. Einzig die Aussicht, dass ich ihn eines Tages fragen würde, ob ich den Cockerspaniel des Doktors mal streicheln dürfe,
(vielleicht könnte der sogar auf meinen Schoß, während gebohrt werden würde…?) ließ mich diese Termine ertragen.
Ja, irgendwann tat ich es! Fragen. Ich war mit elf doch ziemlich unerschrocken.
Aber: Nein, das ginge nicht, war die Antwort, weil der würde Kinder ganz doll hassen und beißen. Ich bekam ersatzweise eine Führung durch den achsotollen Garten, hinter dieser riesigen Wohn-Praxis-Villa, in Lichterfelde.
Der Hund war weggesperrt, bellte die ganze Zeit und der Goldfischteich und die Vogelvolieren interessierten mich null. Naja. Zähne waren irgendwann alle versorgt und ich wieder frei.

5


Apropos Flöte. Ich konnte nie selber gut spielen,
aber von jemandem, der gut spielt, perfekt abguck-spielen.
Den Bruchteil der Sekunde, die ich verzögert einsetzte,
merkte man nicht, denn ich hörte passgenau verkürzt wieder auf.
So habe ich jahrelang im Flötenorchester gespielt, ohne je üben zu müssen.

6


Wenn ich Badeanzüge sehe, muss ich immer daran denken, was die wohl für Abdrücke machen. Kann nicht verstehen, wie jemand mit von Sonne erzeugten Mustern auf dem Rücken leben kann.

7


Außerdem muss Wäsche im Farbverlauf an der Leine hängen.
Aber das wissen die meisten.

8


Zahlen gehen in mein Gehirn spurlos rein und wieder raus.

9


Dafür kann ich alle Hunderassen auswendig und absurderweise von den KlassenkameradInnen, an die ich mich erinnere, grundsätzlich auch die Nachnamen.

10


Als ich neunundzwanzig war, wusste ich, dass ich, sobald ich dreißig wäre, für immer  meinem sehr geliebten Frisurenkonzept „Zöpfe“ abschwören werde.
Verboten weil albern.
Letztens sah ich eine alte Dame und ergänze den Schwur um einen neuen Ausnahmeparagraphen:
Sollten mit fünfundsiebzig noch genug Haare vorhanden sein,
ist es ab dann wieder erlaubt.

17. Mai 2023

Hier kann man ein Radiointerview mit mir nachhören.

Darin geht es nicht nur um „Völlig meschugge?!“, natürlich auch, und um noch mehr, aber auch richtig viel um das NILS-Buch.
Und weil ich deswegen eben selber ein bisschen darin rumblätterte, weil es jetzt nicht gerade so ist, dass ich das häufig tue, fand ich diese Szene.
Erinnere mich daran, als wäre es vorgestern gewesen und wünsche dem Typen heute einen richtigen Scheißtag.

12 von 12 im Mai 2022!

Ich habs getan.
Mal wieder die Zwölf bis zum Ende gezeichnet. (Ja, habe einige Zwölferverstümmelte im Skizzenbuch, die ich angefangen, aber dann nicht zuende gezeichnet habe, auch weil sie scheiße zu werden drohten.
Wieder einmal habe ich mich gefragt, wie ich das früher gemacht habe, mit kleinen Kindern.
Naja. Viel Spaß beim Gucken! Ich gucke bei der Gelegenheit auch nach hundert Jahren mal wieder bei DraussennurKännchen, wo sie allmonatlich die treuen Zwölfermacher*innen versammelt. Danke Caro und liebe Grüße!!!!

P.S:
Und Ja, ich habe superviel und Viele nicht gezeichnet.
Wo ist Ida? Hab die Gänse vergessen, die mir übern Kopf flogen, meinen Gärtnermann, den großen Sohn und Nele, die ihr gar nicht kennt … , hätte gerne noch die zwei Feldhasen untergebracht und mein Büroambiente gibt auch ziemlich viel her. Abgesehen von echten Yogaskills.
Ich muss echt nächsten Monat wieder ran.

Pferde verboten

Viento hat mich heute seit langer Zeit mal wieder zum Friedhof begleitet.
Es regnet in Strömen.
Auf dem Friedhof sehe ich aus der Ferne jemanden in Warnweste mit einem dieser beschissenen Geräte, die sehr laut Blätter von a nach b pusten.
Im Regen ganz sicher doppelt so unnützlich wie sonst.
Kurz überlege ich.
„Was machen Sie denn da!???“ kreischt die Frau da auch schon, als ich das Törchen öffne.
„Sie wollen doch nicht etwa mit dem Pferd…“
„Doch, will ich. Muss nur kurz die Kerze anzünden.“
Echt- die fällt beinahe in Ohnmacht und kann aber nix machen, außer schimpfen.
Sich uns entgegenstellen. 
Sich einem Ritterpferd entgegenstellen? Haha.
Wir gehen dann einfach an ihr vorbei, ich behaupte eiskalt, ich hätte eine Sondergenehmigung, könne sie gern ihre Chefin fragen.
Am Grab fällt Viento fast in Ohnmacht, als ich direkt vor seinem Gesicht die Kerze anzünde.
Atmet die Angst tapfer weg, rupft sich ein Ziergrasbüschel aus.
Wir gehen zurück und ich sehe die Laubblastante aufgeregt telefonieren.
Viento kackt. 
Die Frau drückt auf ihr Handy.
„Ich hab mich erkundigt! Da ist gar nix genehmigt! Aber meine Chefin hat schon von ihnen gehört! Das sie die sind, die mal sagte, Hunde wären wohl verboten, von Pferden stände aber nix dran!“
(manche Witze unsterblich- yeah!)
Sie will mir noch einen längeren Vortrag halten, tut sie auch.
Wir gehen runter vom Friedhof, ich dreh mich nochmal um und sage:
„Ist mir egal, ob es verboten ist oder nicht. Ich musste heute die Kerze anzünden und Ja! Ich musste heute auch das Pferd mitnehmen. An manchen Tagen geht es nicht anders. Trotz Wetter, trotz Vorschriften. Auch wenn ich es hätte anders organisieren können. Da vorne liegt mein kleiner toter Sohn und manchmal sind solche Sachen einfach zu tun.“
„Ich habe meinen Sohn auch verloren“, antwortet sie.
„Oh.“ Ich schaue sie an. „Na. Dann wissen Sie ja, wie das ist. Und auch wenn es verboten ist und ich mich von Ihnen anmeckern lassen muss. Weil da jetzt diese drei Hufabdrücke sind. 
Scheißegal. Das. War. Heute. Wichtig. “
Sie ist still und wir gehen. 
Ich weine und weine, aber egal, weil auf die paar Tropfen kommt es jetzt auch nicht mehr an.

Größer

Letzten Samstag war wieder der Gedenktag für die verstorbenen Kinder der onkologischen Station der Charitè.

Greta wollte diesmal unbedingt mit und als wir so da saßen, während weitere gefühlt tausend Namen vorgelesen wurden, gerade nachdem wir unsere Kerzen für Nils schon angezündet hatten, merkte ich plötzlich, dass sie mich mit ihrer aufrechten Haltung fast um Kopflänge überragte.

Ganz kurz, bis ich mich dann ordentlich hingesetzt habe.

Aber ich könnte nicht stolzer sein auf ihren Mut und ihre Stärke in dem Moment.

Erinnert sich wer an den Text von demselben Tag in einem früheren Jahr, mit dem Arzt, der meine Hand nahm, sich entschuldigte und weinte?
Ich finde ihn selber nicht mehr….hatte ich ihn nicht hier gezeigt?

Wenn ja-Wo- Wann?
Hinweise gern an mich.


Von Jetzt und Freaks. Und vom Netz.

Bei der letzten Lesung wurde ich gefragt, was denn „Jetzt“ wäre.
Wenn in meinem Buch  „Von Tod und Wut. Und von Mut.“ die Rede ist, welches Wort als nächstes käme, würde ich die Geschichte weiterschreiben.

Ich fand die Frage gut und wusste keine Antwort.
Naja doch. 
Aber nicht wirklich.

Die nächsten Kapitel sind, vielleicht zum Glück, nicht besonders aufregend und daher kein Buch wert, das Leben geht so weiter und kein Wort wäre irgendwie passend, sagte ich, glaube ich.
Würde ich mir mal Gedanken dazu machen.

Und nun sitze ich hier, denkend, habe aber immer noch keine richtige Antwort gefunden.

Vielleicht ist die Frage falsch. Denn die Geschichte im Buch endet richtig.
Mit Mut und dem Punkt.
Trotzdem: Wie lebt es sich weiter? In echt?
Was geschah dann, wo bin ich jetzt und wie fühlt es sich an?
Sicher hat mich der Tod meines Kindes verändert.
Genauso sicher hätte mich jede Variante von Leben verändert.

Ich fühle mich oft nicht gut, aber bestimmt würde ich mich auch oft nicht gut fühlen, wäre all das nicht passiert.
Ich fühle mich auch oft gut, obwohl passierte was passierte.
Ehrlich gesagt frage ich mich sehr selten, wie sich „meine Trauer“ anfühlt,
weil sie nichts ist, was neben meinem Leben stattfindet.
Sie ist da drin.

Natürlich hat sie mich verändert, zum Guten wie zum Schlechten.

Aber hey- 
Wieviele Leute haben sich in der letzten Zeit zu Freaks entwickelt, ohne dass deren Kind starb?
Ich finde, da gehe ich fast noch.
Mal ganz subjektiv gesehen.

Die Trauer hat mich jedenfalls absolut nicht zu einem besseren Mitmenschen gemacht, nur weil ich tröstende Bücher mit lichten Dingen geschrieben und gezeichnet habe.
Sie hat mich immerhin nicht zerstört oder bitter gemacht.

Aber wer weiß.

Letztens sagte eine Person, mein Trauma wäre nicht ihr Problem.

Eines meiner recht neuen Probleme, die ich auf Trauer-nicht Trauma- zurückführen würde, sind Menschen,
deren Problem es ist, dass ich nicht ihres sein soll, ohne dass ich sie darum gebeten hätte.

Durch mein Netz fällt jetzt einfach viel viel mehr durch.
Es ist stark, hat aber große Löcher.


Das Streichholz

Die Geschichte, wie wir Viento die Kerze auf den Kopf setzten, den einen Tag, und wie ich abends mein erstes Kerzentier zeichnete und dann noch zwei und dann ganz viele, bis es 365 waren, für jeden Tag im Jahr eins, die kennen jetzt alle.
(Also die, die meine Bücher kennen, jedenfalls)

Es gibt aber noch die andere kleine Geschichte dazu, die ich zwar auch schon hier und da erzählt habe, die aber in der gekürzten Fassung rausfällt.

Denn kurz vor diesem einen Tag mit der Kerze hatte ein Freund,
der Künstler ist, die Idee, dass wir doch eine Ausstellung machen könnten,
in diesen Räumen, die geradezu danach schrien: Macht doch eine Ausstellung.

Und ich, die ich jegliche Jobs gecancelt hatte, die in diesen ersten Wochen nach seinem Tod trotzdem nicht wusste, wohin mit all dem, was in mir wütete, zwar wie wild schrieb und ichweißauchnichtmehrwas alles machte, fand die Idee gut, wusste aber leider gar nicht, was ich machen sollte.
Mir fehlte ein Thema, an dem ich entlang zeichnen konnte.
Mir fehlte vor allem mein Kind.
Aber dieser Freund ließ nicht locker, er legte, wir legten ein Datum fest. 
Sagte – Machen wir. 
Du zeigst Zeichnungen, ich mache Skulpturen.
Komm, das wird gut.

An dem einen Tag bei den Pferden war es bis zur Ausstellungseröffnung nicht mehr lang, aber ich wusste abends, ich werde 159 Kerzentiere zeichnen, genauso viele, wie die Tage, die dann vergangen sein werden, als Nils starb.
Die sollen leuchten, alle unsere Freunde und Besucher der Ausstellung sollen weinen, aber auch lächeln über die schönen, lieben netten traurigen Tiere.

Und genauso war das dann auch.
Und was daran so schön ist- Nie hat er gedrängelt, dieser Freund. 
Nie genervt.
Mir einfach ein Streichholz gegeben.
Das, womit alle Kerzentiere angezündet worden sind.
Und dafür werde ich ihm immer dankbar sein. 

Guckt doch nochmal Hier und Hier !!!!

lost and found

Ganz gegen meine Gewohnheit habe ich diesen Text ERST bei Instagram veröffentlicht.
(fuck Gewohnheiten btw)

Hier- nun noch für euch Blogginchen:

Wir hatten uns so ungefähr 20 Jahre nicht gesehen, meine Freundin und ich, als wir uns letzten Herbst trafen und sie erzählte von ihrer entdeckten Liebe zum Goldschmieden und ich darauf von meiner Suche nach DEM Ring.
Golden, zierlich, schlicht und mit einem kleinen gelben Stein.
Nach dem ich immer und überall Ausschau halte und den ich nie finde.
Und sie? Sie sagte, kein Problem. Mache ich dir. Und zwar SO gern!

Sie lebt in England und wieder at home angekommen, fing sie sofort damit an.
Suchte für mich einen gelben Stein, bestellte das Gold und schmiedete mir den schönsten kleinen Ring, mit dem süßesten kleinen gelben Saphir für meinen runzeligen kleinen Finger.
Und dann war er in der Post.

Wunderwunderschön und ganz so, wie ich ihn mir geträumt hatte.
Er passte perfekt, glitzerte gelb und war ganz mein.

Im Februar, als dieser dicke Schnee lag und Handschuhe die ständigen Begleiter waren,
vermisste ich ihn plötzlich nach einem Pferde-Spaziergang.
Er war weg.
Alles habe ich abgesucht, aber im Wald, bei 30 cm Schnee?
Da fällt er natürlich durch, auf Nimmerwiedersehen.
Katastrophe.
Mein einziger Trost war, dass er ja irgendwo ist- in der Nähe.
Zwar nicht zu finden, aber hier. Im Wald oder am Stall oder so.
Nicht geklaut, oder in einem Zug nach Köln. (oder sonstwohin)
Hatte mich ja nie weiter entfernt.
Trotzdem.
Wie sehr habe ich geweint, als ich meiner Freundin sagen musste,
dass ich meinen gelben Ring verloren habe.
Jaja. Nur ein Ring- aber trotzdem.

Und gestern hat Georg ihn in seiner Unterhosenschublade gefunden.
Da lag er einfach drin.
Und tat als ob nix wär.

In diesen Ring hat meine Freundin so viel reingeschmiedet.
Gelben Glitzer, Liebe, Erinnerung, Freundinnenschaft und ganz offensichtlich Humor.

Danke dir so. @acvwiddern 💛
Und dir, @gmagjn , fürs Finden.
Ist ein bisschen #werbung für @vonwjewellery , aber aus Überzeugung, nicht für Geld oder so.