11. September

Wovon das Buch eigentlich handelt, weiss ich gar nicht mehr.
Nur, dass es gut ist.
An diese Textstelle denke ich allerdings seit Jahrzehnten.
Wenn ich mal wieder zuviel Rad in den Adern habe.
(mein Auto ist in der Werkstatt)
(Der dritte Polizist von FlannO´Brien)

So.
Im Urlaub habe ich viel geschrieben.
Und dann habe ich mich selber bei FeeistmeinName eingeladen,
weil ich ihre Frage nach, „Glück ist…“ für mich so wichtig fand,
und sie hoch oben auf einem toskanischen Berg echt fix beantworten konnte.
(sie hat es auf meinen Wunsch hin gelöscht…zu der Zeit, als ich dachte, durch die Aufnahme des Verfahrens würde die Bildzeitung im Netz nach Bildern von Nils suchen…ist nie passiert, aber hier ist der Text:)

Glück ist….

„Wir werden immer immer traurig sein, IMMER!

Aber bitte : Lass uns nicht immer immer immer unglücklich sein.

Das dürfen wir nicht.“

Das habe ich zu meinem Mann gesagt, ich glaube, ungefähr zwei Stunden nachdem unser kleiner Sohn gestorben ist.

In dem Moment an Glück denken.

Diese Angst, nie wieder glücklich sein zu können, weil man sich fühlt, wie noch niemals zuvor in seinem Leben.

Am selben Tag, etwa zwölf Stunden später.

Es war so heiß. So drückend und still.

Weltstillstand.

Plötzlich kommt Wind auf. Nein – Sturm!

Von einer Sekunde zur nächsten blitzt und donnert es. Kein Gewitter der normalen Sorte, sondern eins, bei dem die Blitze so hell und die Donner so laut sind, dass man normalerweise ins Haus flieht und Türen und Fenster verschließt.

Ich brachte gerade die Mülltonne an die Straße und mein Mann machte den Hühnerstall zu. (ja, so was macht man auch an so einem Tag…)

Wir trafen uns in der Mitte des Gartens und mussten lachen.

„Er ist angekommen“, sagten wir gleichzeitig.

Und da war ein Fünkchen, ein minikurzes Glimmen von Glück.

Sofort wieder weg, abgelöst von tiefstem Unglück, aber spürbar.

Sechs Wochen später.

Ich sitze in den Hügeln der Toskana.

Zufällig (komplett überstürzte AirBnB- Planung, nach chaotischer Reisevorbereitung ohne großes Nachdenken….) in dem einsamsten Teil der Toskana. Was für ein Glück, diesen Ort gefunden zu haben, der gerade so gut zu uns passt.

Am Abend regnet es Sternschnuppen.

Wir reisen mit unserem kleinen Sohn, den wir hier genauso spüren wie zuhause.

Das Wissen, dass er uns für immer überall hin begleiten wird, tut weh, beruhigt aber auch.

Man sieht unserer Familie das Unglück nicht an.

Glücklich sind wir noch nicht.

Aber immer wieder mal.

Wenn die Kinder und wir lachen und rumalbern.

Wenn es gewittert.

Oder ein Wind kommt, wo man ihn nicht erwartet hätte.

Wenn nach dem Satz „Ich glaube, wir sollten mal ins Bett gehen…“ eine riesige Sternschnuppe Gute Nacht sagt.

(wenn das Zufall ist, heisse ich KarlOtto haben wir früher immer gesagt)

Kleine Glücksmomente.

Manchmal fühle ich mich um Jahrhunderte gealtert. Und ich meine nicht nur körperlich (…)

Was soll noch passieren?

Ich kenne den Glücks-Schlüssel.

Wir lieben uns.

Alle.

Die, die leben, genauso, wie die, die woanders sind.

Die Liebe macht nicht Halt vor irgendwelchen Elementen.

Oder Körpern. Oder unterscheidet zwischen Seele hier, Seele da.

Und wo Liebe ist, kann das Glück nicht verschwinden.

Die Glut bleibt, egal, was passiert.

Man muss nur weiteratmen. Lieben. Ohne Angst.

Es ist anstrengend, sie anzupusten, damit sie funkt und vielleicht irgendwann wieder brennt, aber man kann es schaffen.

So ist das.

 

Danke Fee! (auch fürs im Nachhinein unnötige Löschen damals!)

 

16 Kommentare zu „11. September“

  1. Liebe Melanie, wundervoll deine Definition von Glück ♡. Ich bewundere deine Stärke und deinen unbeirrt positiven Blick in die Zukunft. Ich wünsche euch viele kleine Glücksfunken die euch durch all die emotionalen Täler tragen mögen. Über unserem Segelboot funkelt gerade die Milchstrasse und ab und an huscht eine Sternschnuppe herunter… Ganz als würden Nils und Theo gerade ein wenig mit Sternen jonglieren… Alles Liebe, Anna

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  2. Es gibt wirklich nichts Bizarreres, als wenn man Alltägliches erledigt an einem Tag, der allen Alltag eigentlich so komplett zertrümmert hat. Fühlt sich, finde ich, alles an wie komplett aus Glas.

    Für immer traurig, aber nicht für immer unglücklich. Ich glaube, genau das ist der ganz wesentliche Punkt, den Du da erfasst hast. Jetzt hab ich endlich Worte für das, was ich immer nur empfunden habe. Danke!
    Ich hoffe, das lesen viele Leute. Weil ich glaube, dass Du mit diesem kurzen Text etwas erwischt und erfasst hast, das vielen Leuten unendlich weiterhelfen kann, die sich zwischen Trauer und Unglück verirrt haben und gar kein Licht am Ende des Tunnels mehr sehen.

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